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Foto: Klaus Gruber
Foto: Klaus Gruber

Alle waren in Bewegung

Argentinien•Chile verstehen

Alejandro Franco: Alle waren in Bewegung

1977 standen wir in Chile bereits seit vier Jahren unter der Diktatur von Augusto Pinochet. Das bedeutete Zensur, Menschenrechtsverletzungen, Ausgangssperre. Viele Menschen sind in dieser Zeit verschwunden, gefoltert oder ermordet worden.

In jenem Jahr hatte Alejandro Franco keine Wahl: Er musste das Land verlassen, nachdem er bereits 1975 als Mitglied der MIR (Movimiento de Izquierda Revolucionaria) drei Monate im Gefängnis gesessen hatte. Eine zweite Inhaftierung, so sagt er heute, wäre sein Todesurteil gewesen.
Seit 1978 lebt Franco in Nürnberg, arbeitete im Lateinamerika-Komitee, das unter anderem von Amnesty International und dem Nürnberger Menschenrechtszentrum getragen wird, und ist Dozent an der Universität Erlangen.

Alejandro Franco schätzt die Auswahl der Themen des SympathieMagazins »Argentinien/Chile verstehen«. »Das Magazin ist nicht nur in touristischer
Hinsicht interessant, sondern auch in sozialer, politischer und kultureller.«

 

Blicken wir zurück ins Jahr 1970. Wie war damals die Situation in Chile?

Unsere Studentenbewegung Federación de Estudiantes an der Universität von Concepción war die erste, die von der Linken getragen wurde. Als Salvador Allende mit der Unidad Popular 1970 an die Macht kam, geschah das auch, weil es in Chile so viele Bewegungen gab, die ihn unterstützten. Studenten, Arbeiter, Bauern – alle waren in Bewegung. Man fühlte sich fast verpflichtet, eine politische Position zu beziehen.

Sie haben für Ihre politische Einstellung viel in Kauf genommen.

Als Mitglied der MIR (Movimiento Izquierda Revolucionaria) saß ich 1975 für drei Monate im Gefängnis. Ich habe gewusst, was ich tat, dass mich mein politisches Engagement mein Leben hätte kosten können. Wir konnten ohne Haftbefehl festgehalten werden. Es wurde gar nicht verhört, es wurde sofort gefoltert. Ich saß in Talcahuano, das war sozusagen ein Folterlabor – ähnlich wie die Colonia Dignidad.

Wie entkamen Sie dem Gefängnis?

Ich wurde von der Vicaría de la Solidaridad betreut, einer Organisation der katholischen Kirche, deren Gründung von Papst Paul VI. und dem chilenischen Kardinal Henríquez veranlasst worden war, um sich der Opfer der Militärdiktatur Pinochets anzunehmen. Sie haben meine Flucht veranlasst. Ich kam nach Bochum und lernte Pastor Heinz Dressel kennen. Ihm verdanke ich mein Leben. Er hat über 300 Familien gerettet und ihnen den Start in ein neues Leben ermöglicht.

Die Solidarität hier hat mich überrascht. Jedem Deutschen, so mein Eindruck, war die Situation in Chile ein Begriff.

Wie beurteilen Sie die bisherige Aufarbeitung der Menschenrechtsverletzungen unter der Militärdiktatur in Chile?

Ich sehe die Entwicklung positiv. In Chile wurden zwei »Informes«, Informationsgutachten, veröffentlicht: der »Informe Rettig« im Jahr 1991 und der »Informe Valech« 2004. Der erste Präsident nach der Militärdiktatur, Patricio Aylwin, schuf 1990 die Nationale Kommission zur Aufklärung und Versöhnung, die unter der Leitung des Juristen und Politikers Raúl Rettig die Verbrechen gegen die Menschlichkeit auflistete. Die Folteropfer standen dagegen im Mittelpunkt des Berichts, den der emeritierte Bischof Sergio Valech vorlegte. Das Problem ist jedoch, dass in diesem Bericht zwar die Namen der Folteropfer genannt werden, nicht aber die der Täter. Damals wurde zwischen den Regierungen der Post-Pinochet-Ära und den Militärs ausgehandelt, dass diese Namen 50 Jahre lang nicht veröffentlicht werden dürfen.

Die Regierungen ließen sich auf entsprechende Forderungen ein, um die Gefahr eines neuen Putsches zu bannen. Das Militär ist bei uns in Chile immer noch Teil unserer Gesellschaft. Die Regierung unter Michelle Bachelet will diesen Pakt ändern, ja sie muss ihn ändern.

Für die namentlich identifizierten 27.000 Folteropfer wurden Entschädigungsmaßnahmen festgelegt, für die politischen Häftlinge jedoch nicht. Dabei sind diese oft traumatisiert. Diese Menschen sind inzwischen alt, für viele könnte eine Entschädigung zu spät kommen.

Wie wird mit den ehemaligen Tätern verfahren?

Unser Problem ist, dass die Täter kaum bestraft wurden. Manuel Contreras, der Leiter der politischen Polizei DINA, büßt seine Strafe in einem Fünf-Sterne-Gefängnis ab. Augusto Pinochet kam im Jahr 2000, nach seiner Verhaftung in London, im Rollstuhl in Chile an und musste aus Krankheitsgründen nicht an seinem Prozess teilnehmen. Dies verhinderte letztendlich eine Verurteilung. Er starb friedlich zu Hause.

Wie stellt sich die Situation im Nachbarland Argentinien dar?

Meiner Ansicht nach sind die Argentinier einen Schritt weiter gegangen. Viele der ehemals Verantwortlichen der Militärdiktatur wurden verurteilt. Einer der Angeklagten erhielt ein Strafmaß von 1.084 Jahren. General Videla starb im Gefängnis. Die argentinische Regierung unter Nestor Kirchner hat den Parque de la Memoria in Buenos Aires geschaffen, ganz in der Nähe des Flughafens, von dem aus Militärflugzeuge starteten, um betäubte Gefangene nackt ins Meer zu werfen.

Der Parque de la Memoria will heute Erinnerungsstätte und lebendiger Treffpunkt zugleich sein.

Interview: Susanne Asal, Foto: Klaus Gruber

Pdf Artikel: Argentinien•Chile verstehen

Vorwort "Argentinien-Chile verstehen" & Links

Studienkreis für Tourismus und Entwicklung e.V.

SympathieMagazine

Susanne Asal
SympathieMagazine
Ausgabe 62/2014 - Argentinien•Chile verstehen

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