Lieblingstassen, Tee-Ritualen und Espresso-Passionen
Eine war beziehungsstiftend, eine ist unzerstörbar, eine andere kommt aus Paris - Welches Gefäß gehört zu welchem Nürnberger?
Fitzgerald Kusz, Schriftsteller: Mei Oma hout ihrn eibrocktn Kaffee nu auserm «Hoofn» glöffelt. Iich hou, wäi i klaa wohr, mei Milch auserm «Häfälä» trunkn. Hait trinki mein Kaffee auserer Tassn. «Häfälä» soochi scho lang nimmer. Etz gibts blouß nu «Tassn». Und weil des Wort «Tassn» nach gohr nix klingt - des is ja aa blouß ganz sachlich – verwandeln mer däi «Tassn» in ä «Tässlä». Des is ka groußer Aufwand: Mer braucht blouß ä «lä» an wos oohänger und scho schaut däi ganze Wohr ganz andersch aus. Wer ä «Tässla Kaffee» statts ä «Tassn Kaffee» trinkt, freit si aff sein Kaffee. Mit su emm «Tässla Kaffee» lebt sis leichter. Und wemmer den Kaffee aa nu auserm Lieblingstassn trinkt, dann schmeckt des «Tässla» nummal su gout. «Ä Tässla Kaffee und mei Zeitung in der Fräih, des moui hoom. Des is die schönste Stund vom ganzn Tooch», sacht die Tante Anna in «Schweig, Bub!».
Peter Theiler, Intendant des Staatstheaters: Meine Lieblingstasse habe ich im legendären «Café de Flore» in Paris gekauft. Das «Café de Flore» war Stammlokal für viele berühmte Literaten und Kunstschaffende wie Jean-Paul Satre, Simone de Beauvoir, Ernest Hemingway und Picasso. In den 50er Jahren war es Treffpunkt der Existentialisten.
Nach Paris komme ich als Vorstandsmitglied und Schatzmeister der Internationalen Kammer der Opernintendanten sehr häufig und wohne dann immer in einem kleinen Hotel im Stadtteil St. Germain. Das «Café de Flore» ist mir sehr ans Herz gewachsen, da es im Gegensatz zu den recht mageren Hotelfrühstücken herrlichen Café au lait und Croissants serviert. Dazu lese ich die Zeitung und beobachte den Verkehr des geschäftigen Boulevard St. Germain durch die Scheibe, wie in einem Stummfilm.
Lilo Kraus, Harfenistin: Radio hören, allein in der Küche sitzen, den heißen Dampf aus meiner Teetasse ins noch müde Gesicht blasen, einfach nur aus dem Küchenfenster in den Hinterhof schauen. Das hat schon fast was Meditatives, das ist mein sonntägliches Ritual, da gehört die «Sonntagsbeilage» von Michael Skasa auf Bayern 2 dazu sowie eine ganze Kanne schwarzer Tee und die Lieblingstasse.Aber sie ist nicht das Original, sie ist eine Nachfolgerin. Die ursprüngliche Tasse war wesentlich zierlicher und klebt heute als Fragment mit Henkel an der Küchenwand. Sie diente einst dazu, meinen Argumenten leidenschaftlich Ausdruck zu verleihen, verfehlte zum Glück knapp den Kopf meines Lebensgefährten und zerschellte. Die Beziehung hat überlebt. Das Nachfolgermodell ist eher ein Humpen und gemahnt durch Gestalt und Form zur Gelassenheit, zur Gemütlichkeit, als Argumentationshilfe wäre sie ungeeignet, die Wirkung zu endgültig. So wärme ich meine Hände an ihr, schlürfe den Tee und hoffe weiter auf den Frühling.
Matthias Egersdörfer, Kabarettist: Meine Lieblingstasse gehört mir streng genommen gar nicht, sondern stammt aus der Aussteuer meiner Lebensabschnittsgefährtin. Ich freue mich wirklich jedes Mal sehr, wenn ich in meiner spärlichen Freizeit ein Heißgetränk aus diesem formschönen Gefäß zu mir nehmen darf. Aus dieser Tasse habe ich auch bei unserem ersten Rendezvous getrunken. Als mein Täubchen damals den Kaffee zubereitete, habe ich am Kaffeetisch das Tässchen schnell umgedreht und gesehen, dass es sich um ein original Hutschenreuther-Service handelt. Da war ich sehr erleichtert. Bei den modernen Frauen erhält man ja immer nur einen mangelhaften Blick auf die Herzensbildung und die Seelenqualitäten. Als ich «Hutschenreuther» gelesen habe, wusste ich aber sofort, dass das Frauenzimmer nicht auf der Wassersuppe dahergeschwommen kommt. Die Hutschenreuther-Tasse ermöglichte mir sozusagen, in diese Liaison einigermaßen bedenkenlos einzuwilligen.
Stephanie Dunker, Kulturbüro Muggenhof: Eigentlich habe ich keine Lieblingstasse – ich bin da nicht so sentimental. Meine Bürotasse ist mir dennoch etwas Besonderes. Im Laden in Muggenhof stand sie zwischen vielen anderen schlichten weißen Tassen. Einzig ihr Preis war anders – nämlich höher. Als ich den Verkäufer nach dem Unterschied fragte, nahm er sie wortlos und schlug sie mit voller Wucht gegen ein Metallregal. Mir stockte der Atem. Ich erwartete einen dumpfen Schlag und dann ein leichtes Klirren, aber die Tasse sah aus wie zuvor: makellos. «Sie ist unzerstörbar», sagte der Verkäufer. In ein paar hundert Jahren wird ein Archäologe nach den Wurzeln der Soziokultur graben – natürlich in Nürnberg – und dann wird er meine Tasse finden.
Alejandro Franco, Galerist: Eigentlich habe ich keine Lieblingstasse. Der Inhalt ist mir wichtiger als das Gefäß. Außerdem bin ich kein Sammler und hänge mein Herz auch nicht an Gegenstände. So gesehen ist jede Espresso-Tasse meine Lieblingstasse. Es gibt allerdings ein besonderes, älteres Tässchen mit einem Firmenlogo, das mich an meine Kindheit erinnert.
In Chile, wo ich geboren wurde, ging ich mit meinen Eltern manchmal in eine Art Kaffeehaus, wo es so ähnliche Tassen mit einem aufgedruckten Männchen gab. Dabei ist Chile eigentlich keine Kaffee-Nation. Bis in die 80er Jahre bekam man selbst in guten Restaurants nur Nescafé. Ich habe mir das Espresso-Trinken während meines Studiums in Erlangen angewöhnt.
Pro Tag trinke ich im Schnitt zwölf Tassen. Ohne Espresso werde ich nervös. Espresso-Trinken ist für mich längst ein Ritual geworden, das für mich zu den schönen Seiten des Lebens gehört. Eine Delikatesse, die ich nicht missen möchte. Egal in welcher Tasse: Hauptsache schwarz und stark!