Ein Kontinent vor der Haustür
Das Angebot an lateinamerikanischer Kultur in der Region ist riesig - Galerie als Kontaktbörse
Ihre Gemeinde ist viel zu groß, um sich in einem einzigen Verein zusammenzutun. Deshalb gibt es in der Region unzählige Kultureinrichtungen von Südamerikanern, die hier leben, oder von Deutschen, die Kontakte zu verschiedenen Ländern und Künstlern des Kontinents pflegen. Lateinamerika-Sendungen auf "Radio Z, der Verein "Ceclam", der sich im Nürnberger Kulturladen Bleiweiß zu Tanz, Essen und Kulturaustausch trifft, unzählige Salsatanzkurse, das "Lateinamerika-Colloquium" an der Universität oder der Städtepartnerschaftsverein San Carlos - für jeden Interessierten an der Kultur zwischen Kuba und Feuerland ist etwas dabei.
Seit 1990 gibt es zum Beispiel den Verein "Ponte Cultura", der vor allem Kontakte nach Brasilien pflegt. Ausstellungen von brasilianischen und deutschen Künstlern in Sao Paulo und Nürnberg, Köln und München werden in der Öffentlichkeit wahrgenommen.
Einen zweiten, weniger sichtbaren Schwerpunkt setzt die "Kulturbrücke" zwischen Südamerika und Europa aber mit Workshops für bildende Künstler, mal in Frankreich, mal in Brasilien selbst. Denn Kunst ist für die Initiatoren auch die Kommunikation untereinander - Kultur als Brücke zwischen den Kontinenten.
Auch in der Nürnberger Galerie Arauco fanden schon "Ponte Cultura"-Ausstellungen statt. Das verwundert nicht, wenn man die breit gestreuten Aktivitäten des Galeriechefs Alejandro Franco kennt. Der 52-jährige Chilene, der sich längst als Nürnberger fühlt, Hat eine Art Informationszentrum für alles Lateinamerikanische geschaffen. Seit er 1977 von der Pinochet-Diktatur nach Deutschland floh, baut auch er Brücken zwischen den Kontinenten, und das erfolgreich. In seiner Galerie am Trödelmarkt verkauft der umtriebige Unidozent zwar auch Schmuck und gute chilenische Weine, aber vor allem ist das schmale, hohe Häuschen Treffpunkt für alle, die sich in irgendeiner Hinsicht für den Kontinent interessieren.
Das liegt vor allem an den klangvollen Namen, die hier ein und aus gehen oder künstlerische Spuren hinterlassen. Bei den Vernissagen von Malern aus ganz Südamerika drängelt sich das Publikum in den engen Räumen über der Pegnitz und lauscht gespannt den Musikern, die Franco regelmäßig einlädt: Größen wie Tiberio Nascimineto, deutsche Qualitätsgitarristen wie Klaus Jäckle, aber auch viel versprechende junge "Geheimtipps" engagiert der Kultur-Begeisterte und baut so auch Brücken zwischen Musik, bildender Kunst und Literatur.
"Ich freue mich selbst, wenn bei uns interessante Leute zusammentreffen. Und es macht Spaß, den Menschen ganz direkt was von der lateinamerikanischen Kultur zu vermitteln. Das fängt schon dabei an, dass man sich nicht so steif begrüßt und lockerer miteinander umgeht."
Die Gäste wissen seine Freundschaft zu schätzen. Der populäre chilenische Schriftsteller (und jetzige Botschafter in Berlin) Antonio Skármeta besucht ihn regelmäßig in Nürnberg. In seinem Gästebuch verewigte sich der ecuadorianische Maler-Star Oswaldo Guayasamín gleich mit einem ganzseitigen Portrait (das nach seinem Tod 1999 vermutlich Tausende wert wäre). Botschaften oder das Nürnberger Amt für Internationale Beziehungen fragen öfter nach Kontakten in der Galerie.
Eine ganz andere Dimension hat die Kulturverbindungs-Stelle Arauco durch das Internet bekommen. Auf der Seite www.arauco.de findet man alles, was mit dem Kontinent zu tun hat: Links zu Rezepten, zu sämtlichen großen Zeitungen, Museen, Universitäten dies- und jenseits des Atlantiks, Botschaften und Künstlern. Wer will, kann sich einen kompletten Busfahrplan für den Kontinentaltrip zusammenstellen. Oder auch nur nachsehen, was gerade in Sachen Südamerika vor der fränkischen Haustür läuft.
Zum Beispiel die Lateinamerika-Woche, die am kommenden Samstag wieder in Nürnberg beginnt. Eine feste Einrichtung mit Konzerten, literarischen Lesungen, Filmen und Debatten über Menschenrechte. "Lateinamerika und seine politischen Probleme sind nach dem Mauerfall in den Hintergrund des Interesses gerückt", bestätigt Alejandro Franco. Doch dafür sind die Länder längst nicht mehr so exotisch wie einst, viele reisen mit dem Rucksack quer durch den Kontinent. Wer nicht dort hinkommt, hat zumindest alle Möglichkeiten, die verschiedenen Kulturen von hier aus kennen zu lernen.